23. Februar 2021
Home Office, Gewerbesteuer, Betriebsstätten und die Frage der Fairness
Als disruptive Folge der Covid-Pandemie ist die Arbeit im Home Office für fast ein Drittel der Arbeitnehmer*innen in Deutschland zur Normalität geworden – Tendenz steigend. Auch nach dem Lockdown werden die Vorteile des Arbeitens „remote“ (d. h. „entfernt“ von der eigentlichen Betriebsstätte der Arbeitgeber*innen) als Teil einer zeitgemäßen From des Arbeitens attraktiv bleiben: ob als Hybrid-Modell mit temporärer Anwesenheit in Büro und Unternehmen oder ausschließlich remote.
Was bedeutet Home Office für die Begründung einer Betriebsstätte?
Insbesondere im Hinblick auf die Gewerbesteuer eine spannende und berechtigte Frage. Im folgenden führen wir die wichtigsten Fragen zum Thema Home Office und Gewerbesteuer auf und werfen ein Schlaglicht auf das steuerliche Gestaltungspotenzial. Gern können Sie uns natürlich auch jederzeit persönlich kontaktieren, damit wir Sie im individuellen Fall beraten können.
Was ist eine Betriebsstätte?
Als Betriebsstätte gilt jede feste Geschäftseinrichtung oder Anlage, die der Tätigkeit eines Unternehmens dient. Selbst wenn lediglich nebensächliche und untergeordnete betriebliche Vorgänge oder bloße Hilfstätigkeiten dort bewirkt werden, kann bereits eine Betriebsstätte vorliegen. Fest steht, dass für die Entrichtung der Gewerbesteuer maßgebend ist, wo das jeweilige Unternehmen eine Betriebsstätte unterhält. Aber wann wird per Definition eine Betriebsstätte begründet? Und wie ist der „stehende" Gewerbebetrieb in Zeiten, wo Unternehmen zum Teil völlig dezentral arbeiten, definiert?
Voraussetzungen Betriebsstätte:
- Feste Geschäftseinrichtung
- Feste Beziehung zur Erdoberfläche
- Tätigkeit des Unternehmens dienend
- Nicht nur vorübergehende Verfügungsmacht des Betriebes
- Beginn/Ende der Betriebsstätte ist zu dokumentieren
Ist das Home Office eine Betriebsstätte?
Ja, insofern die genannten Kriterien erfüllt sind. Auch wenn in vielen Fällen das Home Office bislang eher als Ergänzung des normalen Arbeitsplatzes fungiert. Doch auch wenn Mitarbeitende den Hauptteil ihrer Tätigkeit nicht im Büro, sondern im Home Office verrichten, begründet dies allein keine Betriebsstätte. Insbesondere internationale Unternehmen sollten Chancen aber auch Steuerrisiken angedachter Home Office Konzepte daher sorgfältig analysieren. Wird das Home Office regelmäßig oder sogar durchgehend genutzt und lässt sich eindeutig feststellen, dass ein Unternehmen den Arbeitnehmer*innen vorgibt, das Home Office zu nutzen, kann dies eine Betriebsstätte des Unternehmens begründen. Voraussetzung ist eine dauerhafte Verfügungsgewalt der Arbeitgeber*innen. Widersprüchlich? Das liegt nicht zuletzt daran, dass Unternehmen und Gesetzgeber*innen hier Neuland betreten und viele Unternehmer*innen erst anfangen, sich mit den Möglichkeiten einer sich – übrigens auch ohne Covid – rasant verändernden Steuerrechtlandschaft auseinander zu setzen. Es bleibt mit Spannung zu erwarten, wie sich die Gesetzesgebung in diesem Bereich entwickeln wird. Bereits zur Analyse, ob eine Betriebsstätte begründet wird, empfehlen wir im Zweifelsfall eine individuelle Beratung.
Wann besteht ein Zwang zur Zerlegung der Gewerbesteuer für verschiedene Betriebsstätten?
Die Idee der Gewerbesteuer ist es, dort Steuern abzuführen, wo durch ein Unternehmen und Mitarbeitende auch Infrastruktur und Verwaltung genutzt werden. Wenn ein Unternehmen neben dem bisherigen Sitz weitere Betriebsstätten in anderen Gemeinden begründet, dann besteht ein Zwang zur Zerlegung des Gewerbesteuermessbetrages. Dieser wird in der Folge dann mit dem individuellen Hebesatz der Gemeinde multipliziert und ergibt die jeweilige Gewerbesteuer. Die Begründung einer Betriebsstätte wird insbesondere durch die dauerhafte Tätigkeit von Geschäftsführer*innen im Home Office zu einem Thema, das äußerst aktuell ist und auch bleiben wird.
Die kontroverse Frage der Fairness
Das bedeutet, dass sich auch die Frage der Fairness stellt. Begründet die dauerhafte Nutzung des Home Office eine Betriebsstätte, die eben nicht (mehr) eindeutig auf nur einen Ort, mithin eine Gemeinde zurückgeführt werden kann? Wird die Tätigkeit wie beschrieben in verschiedenen Gemeinden mit verschiedenen Betriebsstätten ausgeübt, wäre der Gewerbesteuermessbetrag demnach zu zerlegen, damit jede Gemeinde entsprechend ihren Anteil an dem Gewerbesteueraufkommen erhält. Vor dem Hintergrund der sich teilweise erheblich unterscheidenden Gewerbesteuer-Sätzen der Gemeinden – selbst auf regionaler Ebene –, wird die Festlegung der Betriebsstätte verständlicherweise kontrovers diskutiert. Es gilt, ökonomische Aspekte (Steuerlast) und solche der Unternehmensethik (Fairness, regionale Verbundenheit) abzuwägen und idealerweise in Einklang zu bringen. Auch hier führt in der Regel eine individuelle Beratung zu einem für das jeweilige Unternehmen optimalen Ergebnis.
Was gilt für Home Office und Gewerbesteuer international?
Die OECD schlug bereits 2013 eine Ergänzung zur Zuordnung von Gewinnen zu Betriebsstätten vor. Demnach soll die Ausübung der Unternehmenstätigkeit in den Räumen eines Arbeitnehmers nicht automatisch zur Ablehnung einer Betriebsstätte führen, sondern Einzelfälle werden auch einzeln bewertet. International gibt es den Trend, die Anforderungen an eine Betriebsstätte zu senken. In Österreich soll beispielsweise eine Betriebsstätte vorliegen, wenn Arbeitnehmer*innen in Abstimmung mit den Arbeitgeber*innen ihrer Tätigkeit in nennenswertem Ausmaß (rund 25 % der Gesamtarbeitszeit) im Home Office nachgehen.
Was bedeutet Home Office als Betriebsstätte für Grenzgänger*innen?
Insbesondere in Grenzgebieten wie der deutsch-dänischen Region, aber zum Beispiel auch im Elsaß (Deutschland/Frankreich) oder an der deutsch-tschechischen Grenze gibt es viele Arbeitnehmer*innen, die zu Betriebsstätte/Wohnsitz pendeln oder eben dauerhaft im Home Office arbeiten.
Werden Arbeitnehmer*innen von steuerlich in Deutschland ansässigen Arbeitgeber*innen aufgrund der COVID-19-Pandemie im ausländischen Home Office tätig, ergibt sich die Frage, ob ein steuerlicher Anknüpfungspunkt, d. h. eine Betriebsstätte bzw. eine Vertreterbetriebsstätte im Ausland, vorliegt.
Wie lässt sich das Thema Home Office für die Steuer- und Unternehmensgestaltung nutzen?
Die Möglichkeiten, die sich aus neuen Arbeitsformen bzw. durch krisenbedingte Innovationsschübe ergeben, lassen sich nicht pauschal einschätzen, sondern sollten individuell und vor dem Hintergrund dynamischer Prozesse ausgelotet werden. Gern beraten wir Sie daher bei allen Fragen rund um das Thema direkt und persönlich. Ob digital vom Home Office aus oder analog vor Ort an einem unserer Standorte, bleibt selbstverständlich Ihnen überlassen!